Charakteristisch für alle Lymphödeme ist eine Weichteilschwellung als Folge einer Anreicherung eiweißreicher Flüssigkeit im Gewebe durch Störung des Lymphtransportes. Daraus entwickelt sich eine chronische Erkrankung mit bleibenden typischen Verdickungen und Verhärtungen des Gewebes durch Eiweißfibrosen. Deshalb sind Lymphödeme in der Regel leicht zu diagnostizieren. In unklaren Fällen hilft eine Lymphszintigraphie (Darstellung der Lymphgefäßbahnen mit Kontrastmittel). Das Lymphödem ist eine meist fortschreitende Erkrankung. Man unterscheidet zwei Arten von Lymphödemen, das primäre und das sekundäre Lymphödem.
Primären Lymphödemen liegt eine Entwicklungsstörung des Lymphgefäß-systems und/oder der Lymphknoten in der Embryonalphase zugrunde. Das daraus resultierende Lymphödem ist selten bereits bei der Geburt vorhanden, oft manifestiert es sich in der Entwicklungsphase der Pubertät oder später bei Frauen in der Schwangerschaft, in der Regel aber in der ersten Lebenshälfte. Beinlymphödeme sind am häufigsten.
Die seltenen hereditären oder erblichen Lymphödeme werden von den sporadischen unterschieden, hinzu kommen syndrombegleitende Lymphödeme (z. B. Turner-Syndrom, Klippel-Trenaunay-Syndrom).
Folgende Lymphödeme werden unterschieden:
In dieser Gruppe sind alle Lymphödeme durch Schäden an Lymphgefäßen und/oder Lymphknoten zusammengefasst, die durch diagnostische oder the-rapeutische ärztliche Maßnahmen entstanden sind.
Dazu gehören:
Lymphknotenentfernung (diagnostisch oder therapeutisch), meist im Zusammenhang mit einer Krebsbehandlung
Verletzung im Bereich großer Lymphgefäßbündelungen, besonders an der Beininnenseite nach:
Durch den zeitlichen Zusammenhang und die Lokalisation des operativen Eingriffs lässt sich das sekundäre, postoperative Lymphödem vom pri-mären Lymphödem unterscheiden.
Lymphödeme können bei Tumorpatienten entstehen, wenn Lymph-knoten entfernt werden und dadurch der Lymphabfluss der Extremität blockiert wird. Das Armlymphödem nach Brustkrebsoperation infolge Lymphknotenentfernung aus der Achsel ist das häufigste Lymphödem in dieser Gruppe.
Ein Beinlymphödem kann sich immer dann entwickeln, wenn bei der Tumoroperation Lymphknoten in der Leiste, im Becken und im Bauch entfernt werden. Das trifft in erster Linie für Krebserkrankungen der Geschlechtsorgane, des Enddarmes oder der Harnblase zu.
Durch die Bestrahlung der zum Primärtumor gehörenden Lymph-abflussgebiete in der Achsel, der Leiste und im Becken-Bauch-Bereich kann der Lymphtransport der Arme und Beine beeinträchtigt werden.
Vermutlich sind Spätreaktionen wie Fibrosen- und Nekrosenbildungen oder Funktionsstörungen Folge einer chronisch-entzündlichen Reaktion. Dementsprechend manifestieren sich Lymphödeme als Folge der Strahlenschädigung erst nach Jahren. Im Gegensatz dazu bildet sich das Lymphödem als Folge eines operativen Eingriffs an den Lymphknoten zeitnah zum Ereignis aus.
Das posttraumatische Lymphödem entspricht in seinen Folgen dem postoperativen Lymphödem.
Es unterscheidet sich durch das Schädigungsmuster. Posttraumatische Lymphödeme entstehen nach Gewebsquetschungen und Zer-reißungen, offenen Frakturen, Ver-brennungen, Verätzungen oder Schnittverletzungen.
Das akute traumatische Lymphödem, das bis zu 3 Monate nach der Verletzung mit einer Ödembildung einhergehen kann, ist vom chronisch-posttraumatischen Lymphödem zu unterscheiden, welches länger als drei Monate besteht und im Vergleich zum akuten traumatischen Lymphödem nicht reversibel ist.
Ursächlich handelt es sich dabei um Folgen einer Lymphgefäß- oder Lymphknotenentzündung nach Gewebeverletzung und/oder Weichteilinfektion. In diese Gruppe gehören auch die durch Infektion (Erysipele) und Parasitenbefall (Filariasis) hervorgerufenen entzündlichen Lymphödeme. Erysipelinfektionen zählen zu den häufigsten Komplikationen von Lymphödemen. Sie können in seltenen Fällen aber auch Ursache eines Lymphödems sein, wenn schwere akute Infektionen oder die zu Rezidiven neigenden bakteriellen Entzündungen der Haut und des Unterhautgewebes zu einer bleibenden Schädigung des lymphatischen Drainagesystems führen.
Zu den parasitären Lymphödemen gehört die Infektion durch Filarien (Fadenwürmer), die in Europa extrem selten zu beobachten ist. Die Erkran-kung ist in tropischen und subtropischen Regionen endemisch. Der Aufenthalt in diesen Regionen muss immer Anlass zum differenzialdiagnostischen Ausschluss einer Filariasis bei akut aufgetretenem Lymphödem sein.
Das Lymphödem wird durch Selbstschädigung, meist durch Strangulieren der Extremität hervor-gerufen. Flucht in die Krankheit ist in der Regel das Motiv. Weil viele Ärzte dieses Krankheitsbild nicht kennen, wird die Selbstschädigung als Ursache des Lymphödems in der Regel nicht diagnostiziert. Dabei lenkt schon der typische Krankheitsverlauf frühzeitig auf eine Selbstschädigung hin.
Die Lymphödeme werden als schmerzhaft geschildert, was untypisch ist. Plötzliche Ödemverschlechterung während therapeutischer Maßnahmen, der Wechsel der Lokalisation des Lymphödems oder typische Strangulationszeichen sind wegweisend.
Diese Lymphödeme entstehen dadurch, dass ein maligner Tumor oder seine Metastasen den Lymphabfluss blockieren. Im Rahmen der Tumornachsorge sind bei jedem neu aufgetretenen Lymphödem ein Tumorrezidiv oder eine Metastasierung auszuschließen, ebenso bei einer plötzlichen Zunahme eines bereits vorhandenen und über längere Zeit konstanten Lymphödems. Auf eine lymphogene Metastasierung weist eine Ödemzunahme der proximalen Ödemanteile hin und ein Übergreifen des Ödems auf den Körperstamm. Auch Schmerzen in der Ödemextremität, eine zunehmende Kraftlosigkeit und Gefühlsstörungen können Hinweis auf eine tumorbedingte Nervenschädigung sein. Hochgradig verdächtig sind tastbare Lymphknoten im Lymphabflussgebiet des Tumors sowie Hautverfärbungen und Knotenbildungen infolge einer Hautmetastasierung.
Bekannte Schädigung des Lymphsystems ohne Ödem = Lymphödemgefährdung.
Stadium 1:
Reversibles Lymphödem
(spontan oder infolge Therapie)
Keine Eiweißfibrose
Keine Gewebsveränderungen der Haut
Stadium 2:
Manifestes Lymphödem
Subkutane Eiweißfibrose (an den Zehen als Stemmer‘sches Zeichen bekannt)
Leichte Hautveränderungen als Pachydermie, Hyperkeratose oder Papillomatose
Das Stadium 2 entspricht dem
typischen Lymphödem.
Stadium 3:
Manifestes Lymphödem
Massive subkutane Eiweißfibrose (=Elephantiasis)
Schwere Hautveränderungen als
Pachydermie, Hyperkeratose, Pa-pillomatose, Nagelveränderungen, Lymphzysten, Lymphfisteln, Ekzeme, Ulzera, Interdigitalmykosen, häufige Erysipele und Angiosarkom (Steward- Treves-Syndrom)
Ödemmessung
In den Asdonk-Kliniken wird gemäß der 4-cm-Methode nach Professor Kuhnke der Umfang der Extremitäten im Abstand von 4 cm gemessen und daraus das Ödemvolumen bestimmt. Weitere Methoden der Volumenmessung sind die Plethysmografie (Verdrängungsmessung durch Eintauchen in Wasser) und die moderne, wenn auch sehr teure optoelektronische Messung mittels Perometer.
Beim einseitigen Ödem kann das Volumenplus in Prozent zur gesunden Extremität angegeben werden. Unter ambulanten Bedingungen hilft der Ödemgradmesser nach Herpertz, mit dessen Hilfe aus dem Umfang in cm an der gesunden und der Ödemextremität am Meßpunkt der Mehrumfang in % abgelesen werden kann. Der Ödemgradmesser ist in den Asdonk-Kliniken erhältlich.
Ödemgrade
bis 25% = geringes Ödem
bis 50% = mäßiges Ödem
bis 100% = starkes Ödem
bis 200% = massives Ödem
über 200% = gigantisches Ödem
Bei beidseitigen Lymphödemen kann das Volumenplus nur geschätzt werden im Verhältnis zu einer fiktiven Normalextremität.