Allgemeines zu Lip-Lymphödemen
Lymphszintigrafische Untersuchungen zur Beurteilung der Transportfunktion der Lymphgefäße beweisen, dass dem Lipödem primär keine Lymph-abflussstörung zugrunde liegt. Erst im Krankheitsverlauf entsteht als Folge der Erschöpfung der Leistungsreserven des Lymphtransportsystems sekundär ein Lymphödem. Dann sprechen wir vom Lip-Lymphödem.
Die anatomischen und funktionellen Veränderungen am Lymphgefäßsystem lassen sich beim Lip-Lymphödem mikroskopisch und lymphszintigraphisch eher nachweisen als die klinischen Veränderungen, die sich in lympho-statisch bedingten Fibrosebildungen, vor allem an den Unterschenkeln, Füßen und Zehen zeigen. Im Gegensatz zum reversiblen orthostatischen Unter-schenkelödem zeigt das Lip-Lymph-ödem ein durch Fibrosebildung irrever-sibles Unterschenkel-Fußlymphödem und es kommt dann zu den typischen Erysipelinfektionen, die gehäuft bei Lymphödemen auftreten.
In der Übergangsphase vom Lipödem zum Lip-Lymphödem lassen sich in der Lymphszintigrafie bereits pathologische Werte für den Lymphtransport nachweisen, während die genannten Merkmale des Lip-Lymphödems noch nicht ausgebildet sind.
Dann sprechen wir vom Latenzstadium oder dem Stadium 1 mit einem spontan oder infolge Therapie reversiblen Lymphödem. Lip-Lymphödeme sind häufiger bei den schwergradigen Lipödemen im Stadium 2 und 3 nachweisbar und klinisch einfacher zu diagnostizieren.
Bei geringgradigen Lipödemen im Stadium 1 ist eine Zusatzdiagnostik zur Beurteilung des Lymphabflusses notwendig. Um eine sichere Aussage zu erhalten, muss eine Funktions-Lymphszintigraphie durchgeführt werden. Diese Diagnostik hat an Bedeutung zugenommen, weil nach den Heilmittelrichtlinien von 7/04 die Verordnung von manueller Lymphdrainage zu Lasten der Krankenkassen nur bei Nachweis einer Lymphabflussstörung möglich ist.
Das Lip-Lymphödem ist vom primären oder sekundären Lymphödem dadurch zu unterscheiden, dass es in der Regel symmetrisch ist, ausgenommen die gigantischen Ausprägungen bei Lipödemen im Stadium 3. Die Gewebsfibrosen sind im Vergleich zum primären Lymphödem nicht so stark verhärtet, da es eine Kombination von Fettgewebe und Fibrosebildungen ist, die dem Gewebe eine teigige Konsistenz gibt. Das wirkt sich auch auf die Ausprägung des Stemmer‘schen Hautfaltenzeichens aus. Die typische Kastenform der Zehen wird erst bei schwerstgradigen Lip-Lymphödemen erreicht. Lymphödeme weisen keine Fettverteilungsstörung im Sinne einer Lipohypertrophie auf und das ödematisierte Gewebe ist üblicherweise nicht druckempfindlich.
Das Lipödem und das Lip-Lymphödem unterscheiden sich von einer er-nährungsbedingten Fettleibigkeit oder Adipositas dadurch, dass sich das Fettgewebe durch Diät und Bewegung nicht beseitigen lässt. Außerdem treten nicht die Stoffwechselstörungen wie Zuckerkrankheit und Fettstoff-wechselstörung auf.
Die direkte Messung des Körperfettes ist aufwändig. Die einfachste und in der Klinik und in der Wissenschaft gebräuchlichste Methode zur Be-urteilung der Adipositas ist der Body Mass Index (BMI). Er korreliert in hohem Maße mit der Körperfettmasse. Das trifft nicht für Patienten mit Lipödemen oder Lymphödemen zu. Deren BMI ist immer um den Anteil der Lipohypertrophie und des Ödems erhöht. Wie hoch er im Einzelfall ist, kann nur geschätzt werden und hängt vom Schweregrad der Ödembildung und der Lipohypertrophie ab. Zur Einteilung der Adipositas wird er von uns aber benutzt, weil es keine genauere Bestimmungsmethode gibt.
Ob bei Lipödempatienten eine Adipositas vorliegt oder nicht, ermitteln wir am Körperstamm mithilfe des Taillenumfanges. Bei der abdominalen Adipositas liegt der Taillenumfang bei Frauen über 80 cm, ein Umfang über 88 cm geht mit einem gesundheitlichen Risiko einher. In unserer Klinik waren im Jahr 2000 ca. 2/3 der Lipödempatienten adipös.